AFFOLTERundSIEBER
der satirische Polit-Blog
Nr. 27 - Das Dählhölzli-Dilemma


Sieber: So, wir sind vor dem Erlacherhof angekommen, gehen wir rein.

Affolter: Moment, wir können doch nicht einfach ins Büro des Stadtpräsidenten trampeln. Hast du mit seiner Sekretärin einen Termin abgemacht

Sieber: Nicht im engeren Sinn. Aber er hat unsere Beratung bitter nötig.

Affolter: Kennt er uns überhaupt?

Sieber: Er kennt mich, das ist die Hauptsache, du spielst eher die stumme Begleitperson. Also, es handelt sich hier um eine Blind-Beratung.

Affolter: Ui, tönt schlimm.

Sieber: Das ist eine ungefragte Beratung. Aber keine Angst, nach einem Moment der Irritation wird uns der Stadtpräsident unendlich dankbar sein. 

Affolter: Weil wir ihm verraten, wie er es anstellen soll, damit er nie mehr an einer dieser öden Stadtratssitzungen teilnehmen muss?

Sieber: Wir erläutern ihm, wie er erstens den Bundesplatz vor der Umwandlung in die Landwirtschaftszone rettet, wie er zweitens den Uferweg an der Aare ungestört verbreitert und drittens, wie er das Problem mit den Russen löst.

Affolter: Potzblitz. Als Politiker würde ich jetzt bemerken, das Fuder sei überladen.

Sieber: Keineswegs. Grosse Probleme verlangen nach cleveren Lösungen.

Affolter: Ich bleibe skeptisch, aber ich bin hier auch nur eine stumme Begleitperson. 

Sieber: Das drängendste Problem unserer schönen Stadt löst man mit Erdbeeren.

Affolter: Erdbeeren, in dieser Jahreszeit?

Sieber: Nun ja, die Anbauschlacht Zwei Punkt Null will in diesen Krisenzeiten angepackt werden und damit die Umwandlung des Bundesplatzes in einen Pflanzblätz. 

Affolter: Das verdanken wir diesen Schwachköpfen von der Agrarlobby. 

Sieber: Wir wollen doch nicht ausfällig werden, nicht an so einem gediegenem Ort wie dem Erlacherhof.

Affolter: Am besten würde man ein Kunststoffflies auf dem Bundesplatz verlegen, dann Humus drauf, Ricoter natürlich, die sponsern das dann.

Sieber: Danach Erdbeersetzlinge rein und Problem eins ist gelöst.

Affolter: Kartoffeln, nicht Erdbeeren. Erdbeeren sind doch kein Grundnahrungsmittel.

Sieber: Das Volk will Erdbeeren. Stell dir vor, die Leute stehen vor leeren Tiefkühltruhen, nirgends kann man Erdbeeren kaufen. So ein Volk wird für Politiker schnell sehr, sehr ungemütlich. 

Affolter: Und dann wäre da noch die Sache mit der Verbreiterung des Uferwegs vom Dählhölzli bis zur Elfenau. Das dürfte nämlich zu unschönen Diskussionen mit der russischen Botschaft führen. So ein Pech, dass dieser verbreiterte Weg ausgerechnet durch ihr Grundstück führen muss.

Sieber: Der Weg ist einfach zu schmal für die Kinderwagen. 

Affolter : Die sind heutzutage eben breit wie Panzer. 

Sieber: Panzer! Das ist die Lösung. Auf das springen die Russen an.

Affolter: Ich weiss nicht recht. So oder so bleibt es bei der Enteignung eines Teils ihres Grundstücks.

Sieber: Ach was. Man muss es rhetorisch nur besser verkaufen.

Affolter: Das ist deine Aufgabe, ich bleibe ja stumm.

Sieber: Nicht von Enteignung sprechen, sondern von einer Spezial-Renaturierungsoperation.

Affolter: Das glaubt nicht einmal ein Russe. Der Botschafter geht doch schnurstracks zum Cassis und dieser ruft den Stadtpräsidenten an, und der wiederum muss sich dann eine Stunde lang die Entstehungsgeschichte der russischen Botschaft in Bern inklusive Aaresicht anhören plus das Gejammer über die Russenfeindlichkeit in der hiesigen Bevölkerung über sich ergehen lassen. Danach ist der Stadtpräsident reif für die Klinik Wyss.

Sieber: Deshalb schicken wir eben die Kinderwagen, die so breit sind wie Panzer, in die Argumentationsschlacht.

Affolter: Ich zweifle daran, dass Kinderwagen - und mögen sie noch so voluminös sein - auf den russischen Botschafter grossen Eindruck machen. 

Sieber: Hier kommen wieder die Erdbeeren vom Bundesplatz ins Spiel. Diese XXL-Kinderwagen werden mit Erdbeerschnaps beladen. Darauf sprechen die Russen sofort an.

Affolter: Und weil die Erdbeeren auf Humuserde von Ricoter gewachsen sind...

Sieber: ... singen Oesch's die Dritten bei der Übergabe des Gesöffs ein Ständchen.

Affolter: Das halten auch die stärksten Nerven nicht aus. Schon nur wegen der falschen Verwendung des Apostrophs im Namen dieses volkstümlichen Ensembles.

Sieber: Anbauschlacht erledigt, Russenbotschaft ohne Cassis um ein paar Meter enteignet.

Affolter: Da wird sich der Stadtpräsident über deine Blind-Beratung sicher vor Freude überschlagen und uns zu einem exquisiten Apéro einladen.

Sieber: Davon bin ich fest überzeugt. Es wird sicher ein edles Tröpfchen von einem dieser stadteigenen Rebgüter am Bielersee aufgefahren.

Affolter: Ach woher, Erdbeerschnaps, direkt aus der Tiefkühltruhe.

1. Mai 2022