AFFOLTERundSIEBER
der satirische Polit-Blog

Nr. 35 - Früher waren mehr Esel

Affolter: Es ist nicht mehr so wie früher. 

Sieber: Wir leben halt in einer schnelllebigen Zeit.

Affolter: So hätten es unsere Grossmütter auch formuliert. 

Sieber: Andererseits: man kann alles übertreiben. 

Affolter: Nehmen wir einmal die Weihnachtszeit...

Sieber: Früher war mehr Lametta, pflegte Loriot zu sagen.

Affolter: Ja schlimm, auch sonst ist es draussen düster.

Sieber: Wir haben eben eine Stromlücke, da wird nicht mehr so viel geleuchtet und geblinkt.

Affolter: Ausserdem machte früher am 6. Dezember der Samichlaus und an Weihnachten das Christkind seine Aufwartung.

Sieber: Das sind christliche Symbolfiguren, die passen nicht mehr in unsere globalisierte Welt. Der Samichlaus ist zu einer amerikanischen Witzfigur geworden und heisst 'Santa' oder wie beim grossen Nachbarn 'Weihnachtsmann'. 

Affolter: Du hast Halloween vergessen, das ist global kompatibel weil nicht christlich. 

Sieber: Plus Black Friday zwecks Umsatzsteigerung.

Affolter: In der Bibel wird doch beschrieben, dass Jesus diese Tischlein der Händler im Tempel umgekippt hat. Man könnte...

Sieber: Wir wollen doch in dieser besinnlichen Zeit nicht zu Gewalt aufrufen.

Affolter: Wie dem auch sei, das Christkind muss heutzutage höllisch aufpassen, dass ihm keine übergriffigen Gottesmänner an die Wäsche gehen.

Sieber: Ist das nicht etwas gar pessimistisch gesehen?

Affolter: Wohl kaum. Früher war der Samichlaus ein Nachbar oder entfernter Verwandter. Wenn es hoch kam, lieh er sich beim Kull in der Gerechtigkeitsgasse ein Kostüm und beim Bauern einen Esel und machte damit bei den Kleinen mächtig Eindruck.

Sieber: Die Esel sind rar geworden. Die Bauern brauchen jeden Grashalm für die Mastkälber, da hat es keinen Platz mehr für nutzlos herumstehende Langohren. 

Affolter: Wir haben also nicht nur einen Fachkräftemangel, eine Stromlücke und eine Gaskrise, wir haben auch einen Eselswandel..

Sieber: Man vermisst Ernsthaftigkeit und Tradition, auch in der Politik. 

Affolter: Auch dort? Das ist aber schade. 

Sieber: Gerade dort. Weisst du, was man vor der Bundesratswahl  auf SRF mit zwei Kandidaten gemacht hat?

Affolter: Sicher etwas sehr Langweiliges.

Sieber: Man hat sie aufgefordert, die erste Strophe von 'Atemlos durch die Nacht' von dieser Frau Fischer zu singen. Bundesratskandidaten!

Affolter: Das war aber nicht nett. Stell dir vor, Mäni Weber hätte seinerzeit in der Sendung 'Bericht aus dem Bundeshaus' den Bundesrat Friedrich, diesen Hagestolz mit der Ausstrahlung einer unbeheizten Kathedrale, aufgefordert, einen Schlager von Rita Pavone zu singen. 

Sieber: Nicht Mäni Weber, der war für die Sendung aus dem Bundeshaus schon damals zu unseriös, der Moderator war Hans-Ulrich Büschi, ein grämlicher blonder Schnauzbart.

Affolter: Und vorletzte Woche hat die Klimajugend damit gedroht, am Tag der Bundesratswahl das Bundeshaus mit Rösti zu beschmeissen. 

Sieber: Weicheier. Früher ist der schwarze Block mit Farbbeuteln gegen das Bundeshaus vorgegangen.

Affolter: Das sieht doch keiner mehr, jetzt wird das Bundeshaus mit farbigen Lichteffekten illuminiert. 

Sieber: Dafür braucht es keine Klimaaktivisten mehr, die draussen auf dem Bundesplatz protestieren, sei es mit Rösti oder Klebstoff. 

Affolter: Auch wieder wahr. Jetzt, wo dieser Klimaaktivist Rösti drin ist, braucht es draussen an der Fassade keinen Kartoffelbrei . 

Sieber: Wenn wir schon vor diesem ehrwürdigen Gebäude stehen: sollten wir nicht auch der nicht Gewählten und der Abgetretenen gedenken?

Affolter: Nicht nötig, die einen ziehen sich auf ihre angestammten Ämtlein zurück. Und da ist dieser andere, der jetzt seine vielköpfige Familie mit seinen Juchzern nervt. Keine ernsten Mienen mehr wie früher, eine Schande ist das.

Sieber: Hoppla, da drüben trippeln zwei Schwarznasenschafe ins Bundeshaus. 

Affolter: Ach komm, das sind nur die zwei Bodyguards von diesem Christkind aus dem Jura.


Bern, 18. Dezember 2022