Affolter: Furchtbar, dieser Fluglärm hier.
Sieber: Du wolltest ja unbedingt im Belpmoos Kaffee trinken.
Affolter: An einem Morgen ist es hier sonst ruhig.
Sieber: Jetzt nicht. Ausserdem ist der Kaffee fad wie fast überall.
Affolter: Ich verstehe nicht, wo diese Düsenjets so plötzlich hinwollen .
Sieber: Das sind jetzt eben die Flüchtlinge.
Affolter: Dummes Zeug. Die traumatisierten Frauen und Kinder aus der Ukraine kommen doch in überfüllten Zügen und nicht in Privatjets.
Sieber: Du hast doch vorhin die aufgedonnerte Dame in diesem Riesen-SUV gesehen.
Affolter: Ihr Chauffeur hätte uns fast über den Haufen gefahren, trotz meines Stocks.
Sieber: Ihr Chauffeur hatte es eilig, weil sie ein Flüchtling ist.
Affolter: Sie wirkte nicht traumatisiert und kam sicher nicht aus der Ukraine.
Sieber: Nicht aus der Ukraine, sondern aus Gstaad.
Affolter: Mir ist neu, dass die Russen das Simmental bombardieren würden.
Sieber: Es gibt zwei Sorten Flüchtlinge: Eine erste Klasse und eine zweite Klasse.
Affolter: Und die im SUV, die jetzt dort drüben in den Jet steigt, ist ein Flüchtling erster Klasse?
Sieber: So ist es. Die erste Klasse flüchtet aus der Schweiz, die zweite Klasse in die Schweiz.
Affolter: Natürlich, die reichen Russen müssen weg aus Gstaad und bangen um ihre Chalets.
Sieber: Ausser die Russen mit dem goldenen Pass, die haben hier kein Problem.
Affolter: Also, unser Pass ist rot, nicht golden. Der Golden Pass ist das Bähnli, das von Zweisimmen nach Montreux fährt.
Sieber: Den Golden Pass vergeben Zypern und Malta an reiche Leute, die im Land investieren. Dafür werden sie dann subito EU-Bürger.
Affolter: Sehr praktisch, wenn man viel Geld hat.
Sieber: Unser Land ist immer grosszügig, egal ob es Flüchtlinge erster oder zweiter Klasse sind.
Affolter: Ja, wenn das so ist. Dann sollte man sowohl den russischen Oligarchen als auch den Kriegsflüchtlingen den Golden Pass erteilen.
Sieber: Wir wollen doch nicht übertreiben. Die Russen haben den Golden Pass und die Kriegsflüchtlinge den Schutzstatus S.
Affolter: Sehr grosszügig.
Sieber: Die mit dem Schutzstatus S dürfen ein Jahr bleiben und wenn die nicht bei Privaten unterkommen geht's ab in Massenunterkünfte.
Affolter: Das tönt aber gar nicht nett.
Sieber: Es ist nicht nur nicht nett sondern schändlich.
Affolter: Sieh mal, dort drüben fliegt schon wieder ein Privatjet ab.
Sieber: Das ist wieder einer dieser Pechvögel, die sich zu spät in Zypern oder Malta nach den richtigen Papieren umgesehen haben.
Affolter: Fein, dann steht schon wieder ein Chalet in Gstaad leer und es gibt Platz für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
Sieber: Und die reichen Russen, die jetzt nicht mehr in ihre Chalets können – wo sollen die hin?
Affolter: Die können in die Ukraine. Dort hat es jetzt viele leerstehende Häuser.
9. April 2022